26.07.2025 Pausentag im Rifugio Monte Zeus und Hintergrund zur Republik Ossola

Das Rifugio Monte Zeus ist ein interessantes altes Gebäude im idyllischen kleinen Weiler Crego ganz in der Nähe der Kleinstadt Baceno. Crego ist bekannt für sein Oratorium, das durch seinen Laubengang mit 48 Säulen auffällt. Die Besonderheit, der „Steinmetz – Pfarrer“ Don Lorenzo Dresco (1802 – 1878), hat Vieles davon selbst mit Hilfe seiner Kirchengemeinde errichtet.

Eine weitere Attraktion hier in der Nähe von Baceno, wo die Flüsse Toce und Devero zusammenfließen, ist – wenn man so will – auch eine Steinarbeit. Die darüberliegenden Gletscher haben hier mit ihren unterirdischen Abflüssen spektakuläre Felswände aus dem Gneis geformt. Sie können lohnenswert auch begangen werden.

Hinter der Kirche San Gaudenzio kommen wir in Baceno an, und schauen natürlich auch rein.

Auch wenn Baceno sehr klein ist, hat es die Durchgangsstraße zur Alpe Devero und vor allem auch ein Schuhgeschäft. Und hier gab es meine Größe eines Sportiva Modells – als Ersatz meiner alten Schuhe, die es immerhin von Bozen bis hierhin geschafft haben. Die letzten Wandertage will ich allerdings lieber nicht damit riskieren.

Und Silvia, die Wirtin des Rifugios Monte Zeus wäscht freundlicherweise unsere Wäsche durch, Namaste und Grazie mille! Aus der Apotheke gibt es potentiellen Nachschub an Ibuprofen und Compeed Zehenpflaster, im Lebensmittelgeschäft Ziegen- und Kuhkäse, Walserbrot und Hirschsalami!

Und wieder Zeit für den Blog…ein Pausentag eben!

Für Interessierte:

Die Partisanenrepublik Ossola

Das faschistische Italien beschloss am 25. Juli 1943, Mussolini abzusetzen, und beendete damit dessen gut 20-jährige Herrschaft. Nach der Niederlage auf Sizilien im August unterzeichnete die Übergangsregierung von Pietro Badoglio einen Waffenstillstand mit den Alliierten.

Nach dem Waffenstillstand Italiens (8. September 1943) besetzten deutsche Truppen Norditalien und unterstützten Mussolinis faschistische Republik von Salò. Im Val d’Ossola entstand aus dem antifaschistischen Widerstand eine breite Bewegung, getragen von Sozialisten, Kommunisten, Christdemokraten, Liberalen und dem Klerus, also ein pluralistisch-demokratisches antifaschistisches Bündnis.

Am 9. September unterzeichneten die in Domodossola eingeschlossenen deutsch-italienischen Truppen einen Waffenstillstand mit den Widerstandskämpfern. Allerdings waren die kommunistischen Guerillas nicht Teil dieses Abkommens. Aus Zeitgründen, betonten die anderen Gruppierungen. Wahrscheinlicher war jedoch, dass letztere die erbeuteten Waffen unter sich aufteilen wollten. Am 10. September wurde in Domodossola die Republik Ossola ausgerufen. Am 12. September wurden vom Nationalen Befreiungskomitee (CLN) die Mitglieder der provisorischen Regierung öffentlich bekanntgegeben. Sie war demokratisch und pluralistisch, besetzt mit Vertretern aller großen antifaschistischen Strömungen. Ihr Präsident wurde der Sozialist Ettore Tibaldi.

Die Arbeit sollte – so der eigene Anspruch der „Giunta“ – die noch existierende Fähigkeit der Italiener zeigen, sich selbst nach demokratischen Spielregeln regieren zu können, nach 22 Jahren Diktatur!

Die Reorganisation des gesamten „Staatsapparates“ nach rechtsstaatlichen Prinzipien umfasste alle Bereiche des ca. 1600 km² großen Gebietes der Partisanenrepublik von Ossola, in dem 1944 ungefähr 82.000 Einwohner lebten: Neben der Sicherstellung der Nahrungsversorgung (Festpreise für Lebensmittel, Unterbindung des Schwarzhandels etc.), der Umstellung der Industrieproduktion von Rüstungsgütern auf die von der Schweiz im Handelsaustausch bevorzugten Güter und der gerechten Verteilung der Hilfsgüter wurden Dorf- und Ortsräte gewählt, durch tägliche Kommuniqués Transparenz über die Regierungsarbeit hergestellt, das Erziehungs- und Justizwesen reformiert.

Die ambitionierten Reformansätze entstanden nicht aus dem Nichts: Die antifaschistische intellektuelle Elite Italiens hatte – eingekerkert, auf abgelegenen Inseln oder Bergregionen in der Verbannung („confino“) lebend oder im Untergrund arbeitend – während der über 20 Jahre andauernden faschistischen Diktatur viel Zeit, um sich programmatisch auf die Ära nach Überwindung dieses Regimes vorzubereiten. Auf einer Verbannungsinsel hatten Altiero Spinelli, Ernesto Rossi und Eugenio Colorni etwa das ‚Manifest von Ventotene‘ verfasst, hierin wurde schon damals ein Vereinigtes Europa gefordert. Entlang des piemontesischen Alpenbogens hatten Antifaschisten um den Philosophen Federico Chabod die ‚Carta di Chivassoerarbeitet, die heute als eine Art historische Geburtsurkunde des europäischen Föderalismus gilt. Heutige Regierungen wären um einen derartigen Think-Tank zu beneiden.

Die im Rathaus von Domodossola amtierende antifaschistische Exekutive konnte darüberhinaus auf einen Zirkel von versierten „Sekretären“ vertrauen. So war der in Domodossola geborene und seit 1938 an der Universität Fribourg lehrende Philologe Professor Gianfranco Contini für das Erziehungswesen zuständig. Als weiteres Beispiel für den Beraterstab ist ihr Buchhalter Piero Malvestiti zu nennen. Der Mitbegründer der Democrazia Cristiana (und spätere Präsident der Montanunion) sorgte dafür, die Regierungsgeschäfte auch finanziell ordnungsgemäß abzuwickeln: Bei der Flucht der Regierung wurden keine Schulden hinterlassen. Erste Frau überhaupt in einem Regierungsamt Italiens: Gisella Floreanini (Kommunistin)

Trotz der kurzen Dauer der Republik Ossola wurden bemerkenswerte Projekte realisiert:
Einführung von Dorfparlamenten und Ratsgremien
Demokratische Justizreform
Aufbau eines neuen Bildungssystems.
Einführung von Notgeld, eigener Briefmarken und einer Zeitung
Soziale Maßnahmen wie geregelte Lebensmittelverteilung und Preisbindung                                       

Die Ossola Republik hielt über Exilnetzwerke in der Schweiz Kontakt zu Alliierten: zum OSS (USA) und SOE (GB). Ein geplanter alliierter Vorstoß über das Ossolatal wurde aber wegen des den Alliierten in dieser Kriegssituation wichtiger erscheinenden Aufstand in Warschau nicht umgesetzt.

Am 9. Oktober 1944 starteten deutsche Truppen mit faschistischer Unterstützung die Rückeroberung. Der letzte Widerstand brach am 21. Oktober im Val Formazza zusammen.

Zwischen 12. und 22. Oktober 1944 flohen zehntausende Zivilisten und Partisanen in die Schweiz. Die Unterbringung war oft prekär; Partisanen wurden in Internierungslager gebracht, viele mussten Zwangsarbeit leisten. Hilfe leisteten das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) und das Rote Kreuz. Andere Berichte beschreiben die Schweizer als sehr hilfsbereit. Das Tessin und das Wallis taten sich hier besonders hervor.

Bedeutung

Die Ossola-Republik gilt als demokratisches Vorbild und Keimzelle der späteren italienischen Republik. Trotz ihres kurzen Bestehens war sie Ausdruck eines funktionierenden, pluralistischen und antifaschistischen Selbstverwaltungsmodells.

 

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Günter Bergmann

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