Nachts um 4 rumorte es leise im Dachgeschoss der Payerhütte. Mit ihren Rotlichtern haben die verschiedenen Seilschaften, die heute den Ortler von hier besteigen wollen, sich aus dem Schlafsaal geschlichen. Als wir um 7 auch zum Frühstück kommen, sehen wir die ersten kleinen schwarzen Punkte bereits nahe des Gipfels auf der Eiskappe des Ortlers. Um kurz nach acht brechen wir auch auf. Seit Tagen Husten, Schnupfen und dünne Luft, aber Superwetter. Das Tages- und unser diesjähriges Tourenziel, das Stilfser Joch, sehen wir bereits gegenüber. Dazwischen liegen 1490 Höhenmeter im Abstieg, 1250 m hoch und ca 15 Kilometer Strecke – ein würdiger Abschluss! Zunächst gilt es den Grat von der Payerhütte mit großer Aufmerksamkeit und gegen die Kälte noch dick angezogen heil runterzukommen.
300 m tiefer, im zeitweise flacheren Schutt ziehen wir uns in der Sonne aus, eincremen, weiter. Vor uns liegt der Abstieg zur Berglhütte, dieser war zeitweise offiziell gesperrt. Ein Teilnehmer unserer Touren vorher ist die Strecke vorgestern gelaufen, es geht, aber Achtung! Außerdem bittet er uns, Grüße in der Berglhütte auszurichten, den Kaiserschmarrn unbedingt zu probieren. Gespannt steigen wir ab, ca. 300m vor der Berglhütte solle der Grund der Sperrung sein. So ist es auch. Das Schuttfeld, das aber eigentlich der Ausläufer des noch aktiven Gletschers ist, am Gletschermund teils weggebrochen, hat den Weg völlig begraben.
Als wir uns von oben nähern , sind von unten 3 Männer eingestiegen. Mit langen roten Stangen sind sie gerade dabei, eine neue halbwegs gangbare Route abzustecken. Sie sind wohl Wegewarte im örtlichen Forstamt. Immer wieder müssen sie diese Stelle neu kennzeichnen. Wir dürfen ein Foto von ihnen machen, sie weisen uns noch auf die Eishöhle hin, die derzeit sicher ist und uns tolle Bilder ermöglicht. An der sehr schönen Berglhütte angekommen, überraschen wir die neue Pächterin mit dem überbrachten Gruß und der Bitte nach einem Kaiserschmarrn mit 2 Gabeln. Sie hat so früh noch nicht mit Gästen gerechnet, kommt gerade selber von Bersorgungen aus dem Tal hoch, verspricht aber den Kaiserschmarrn zeitnah. Das bisschen Warten hat sich allemal gelohnt.
Eine wirklich tolle Hütte, knapp 30 Betten in verschieden großen Zimmerlagern. Von hier aus bietet sich Spezialisten der dritte, längste Aufstieg auf den Ortler, der „Meraner Weg“. Wir versprechen in unserer Sektion ein bisschen Werbung zu machen. Dann steigen wir nochmal 600m durch alten teils Lärchenwald runter – hier kommt uns ein Hüttenhelfer mit Lebensmitteln entgegen- bis zu einer kleinen Kirche am Rand des riesigen Schuttfeldes unten bei Trafoi. Auf einer Brücke überqueren wir die Sohle, dann beginnt unmittelbar im Wald der Aufstieg zum Pass – über 1200 Höhenmeter, oben sind wir dann wieder auf fast 2800m. Der Aufstieg geht manchmal in der Nähe der Stilfer Joch Pass Strasse. Mit über 50 Serpentinen eine feine Adresse für Rennradler. Leider auch für Motorradfahrer.
Ein gut gemachter Alpin Lehrpfad liefert uns auf Schautafeln den wissenschaftlichen Hintergrund: schwitzend und mit knappem Atem wissen wir immer – von unten bis zur nivealen Stufe oben – genau wo wir uns befinden! Um 15:30 Uhr laufen wir auf der Tibethütte auf dem Pass ein. Spätestens ab hier hat uns die Zivilisation wieder. Wir sind so ausgepumpt, daß wir zuerst einchecken, diesmal kein „Anlegerbier“ trinken – und auch kein erstes Ankunftsfoto noch in Bergklamotten machen. Das merken wir erst, als wir heiß geduscht (seit zwei Tagen das erste Mal wieder, und sogar ganz ohne Zeitbegrenzung!) und frisch auf unseren Betten liegen. Nochmal rein in die Klamotten und ein Foto faken? Auf keinen Fall!
Moin Günter,
ich lese gerade den letzten Blogeintrag. Sehr tolle Fotos und schöne Geschichten rund um eure Tour. Danke für´s mitnehmen und teilen 🙂
LG
Markus