Aufgrund des zerbrochenen Stocks ist der Weiterweg unklar. Heute ist Sonntag, vermutlich gibt es unten in San Bernardino kein geöffnetes Sportgeschäft. Vielleicht müssen wir also hier übernachten? Cilli hat überhaupt keine Lust auf diese Retortenstadt am Pass. In der Nacht hatte es geregnet, immerhin war der Weg aber gemäht. Feuchtes Gras über Steinplatten ist aber auch nicht prickelnd. Trotzdem schaffen wir die 600m runter bis San Bernardino bis um halb zwölf.
Es gibt ein Sportgeschäft, sie haben geöffnet und auch tatsächlich einigermaßen gescheite Stöcke, sogar zum runtergesetzten Preis (50 CHF, kaum zu glauben, wir sind in der Schweiz!) Cilli ist happy, wir können weiter! Also noch schnell in den kleinen Supermarkt, Spaghetti, Pesto, Käse, Wurst, 4 Äpfel, 1 Brot, eine Tüte Madeleines, 1 Liter O-Saft, 2 Jogurts in Einkaufswagen geworfen…..so könnte der Weiterweg funktionieren. Draußen leeren wir erstmal den O- Saft, futtern ein paar Madeleines weg. Dann starten wir unverhofft und glücklich gleich ein in den Sentiero Alpino Calanca zum Bivacco Pian Grand. 3,5 h Aufstieg, die letzte halbe Stunde allerdings im strömenden Regen, hier kommen die neuen Regenschirme erstmalig richtig zum Einsatz.
Mit uns auf dem Bivacco sind 4 Schweizer, die auch klatschnass hier einlaufen, ein Vater mit seinem erwachsenen Sohn und noch ein Schweizer Duo, der Jüngere nutzt jede Minute, um seine Masterarbeit auf der Wanderung fertig zu stellen. Alle sind scheinbar erfahrene Wander- und Bergcracks. Erstmal trinken wir zusammen einen Tee – inmitten der zum Trocknen oder Abtropfen aufgehängten Anoraks und ausgestopften Schuhe. Dann kochen wir in Schichten unsere Abendessen, spülen zusammen. In dem Moment kommt noch eine weitere Schweizerin, die morgen beim Umsetzen einer mobile Alp – vermutlich ein Container – helfen soll. Die Wolfsrudel haben sich so stark vermehrt, dass es leichter erscheint, die Schafe in ein anderes Gebiet umzuziehen. Wir verabreden, am nächsten Morgen um 6 Uhr alle zusammen aufzustehen – etwas anderes ginge hier eh nicht. Außerdem ist die Wettermeldung für morgen Vormittag eher schlecht. Bis 12 Uhr soll es weiter regnen – der Weg zum nächsten Ziel, der Capanna Buffalora allerdings zu lang, um hier etwas auszusitzen. Wohl oder übel müssen wir diese Partie, das schwierigste Kernstück des Sentiero Alpino Calanca, auch im Regen gehen. Dieser tolle Weg ist fast durchgehend T4 und häufig sehr ausgesetzt. Wir werden sehen! Wir genießen noch die Aussicht und liegen um halb neun im Lager!